Die Brüder Karamasow
Im folgenden werden einige handlungsrelevante Elemente des Buches genannt.
Als ich vor einiger Zeit angefangen habe, mich ein wenig mit klassischer Literatur zu beschäftigen, wollte ich dies reflektiert tun und nicht nur als reine Unterhaltung verstehen. Ich möchte etwas mehr verstehen, wie großartige Geschichten und Charaktere entstehen. Dabei geht es mir aber weniger um die Inhalte an sich (d.h. ich werde hier keine Analyse aus dem Deutschunterricht ablegen), sondern vielmehr darüber wie Storytelling, das Schreiben als Handwerk und Charactere funktionieren. Daher dient das folgende vor allem zu Reflektion des gelesenen und was mich besonders beschftigte.
Handlung
Grundsätzlich geht es um die Geschichte eines Vaters und seine drei Söhnen. Der Vater, der von allen, inklusive sich selbst, als Possenreißer (ein altertümliches Wort für einen zwanghaften Witzbold) wahrgenommen wird, wird im Laufe der Geschichte in seinem Haus ermordet. Aufgrung der Vorgeschichte wird der älteste Bruder dem Verbrechen beschuldigt. Es folgt eine Beweisaufnahme und ein Gerichtsverfahren. Dieses Endet in einer Verurteilung des Bruders, welcher allerdings die Tat nicht begangen hat. Den Mord hat ein Diener des Vaters begangen, was dieser einem der Brüder später eröffnet. Der Diener begeht allerdings Selbstmord bevor diese Version bestätigt werden kann. Die Handlung endet mit dem ältesten Bruder im Gefängnis, der allerdings eine Flucht aus der Gefangenschaft zusammen mit dem mittleren Bruder plant.
Einen weiterer spannender Apsekt besteht darin, dass man als Leser teilweise unsicher ist, was genau wirklich passiert ist. Der eigentliche Mord wird biepsielsweise nicht chronologisch im Handlungsverlauf beschrieben, sondern innerhalb der Zeit danach aus Erzählungen und der Gerichtsverhandlung rekonstruiert. So erschließt sich dem Leser erst mit der Zeit, was genau geschehen ist und warum Charactere bestimmte Schlussfolgerungen ziehen.
Sprache
Für ein recht altes Werk (ca. 1880) ist die Sprache erstaunlich gut verständlich. Vor allem als Hörbuch. Auch wenn selten Wörter verwendet werden, die im aktuellen Sprachgebrauch nicht mehr zu finden sind (wie beispielsweise das bereits genannte "Possenreißer"), ist die allgemeine Sprache gut verständlich. Im Gegensatz zu einigen deutsprachigen Autoren verrennt sich Dostojewski auch nicht in mehrfach verschachtelter wörtlicher Rede. Falls wörtliche Rede vormkommt, hat diese stets einzigartige Characterzüge, die nur bei dem redenden auftreten, allerdings wird auch hier die Sprache nie unverständlich.
Es ist bemerkenswert wie besonders die Innenwelt der Chraractere in einer Form beschrieben werden, die für jeden Leser versändlich sind. Während andere Werke so wirken, als wenn die Formulierung selbst die Kunst des literarischen Werkes ausmachen, ist es in diesem Werk ganz klar der Inhalt und die Form als Ganzes. Das macht es besonders angenehm für Menschen wie mich, die noch heute Augenzucken bei den Gedanken an die Literatur der Schulzeit bekommen.
Charactere & Psychologie
Dostojewski hat die Fähigkeit, die Gefühlswelt der Charactere in einer Form in Worte zu fassen die einerseits tiefgreifend, aufwühlend und emotional ist, andererseits aber so einfach und nachvollziehbar für den Leser ist. Durch andere Medien ist man es heutzutage gewohnt durch Schauspieler und deren Gestik, Mimik und Körperhaltung deren innerstes zu erfahren, ohne dass diese ein Wort sagen müssen. Das ist natürlich nich möglich in einem Roman. Trotzdem schafft es der Autor durch die exzessive Darstellung der Gefühlswelt und der Emotionen den Leser an das Buch zu fesseln, ohne dabei eine besondere Spannung durch die eigentliche Handlung aufzubauen.
Die einzelnen Charactere sind sehr eigen, bleiben aber stets nachvollziehbar. Nirgends ist eine Schwarz/ Weiß Färbung zu erkennen, Dostojewski gibt sich Mühe jedem Character die Motivation zu extrahieren und dem Leser nachvollziehbar zu zeigen.
Was bleibt?
Ich denke es ist überflüssig hier Thomas Mann oder Nietzsche über Dostojewskis Werke zu zitieren. Aber es deutet an, dass er ein bemerkenswertes Talent hat, eindrignliche Texte zu schaffen, die viele Menschen bewegen.
Interessanterweise sind mir Stellen wie die Mythe des Großinquisitors mittlerweile komplett entfallen. Vielleicht liegt dies daran, dass hier augenscheinlich die Mythe und deren (philosophische) Bedeutung im Vordergrund steht, und weniger, was sie mit den handelnden Figuren macht.
Mir persönlich bleibt die Geschichte selbst wahrscheinlich nicht besonders gut im Gedächtnis. Ich habe gefühlt jetzt schon die Hälfte vergessen. Ganz anders aber die Charactere die er geformt hat und wie eindruckvoll diese dem Leser dargelegt werden. Es gibt Szenen mit dem Vater in denen man sich als Leser ähnlich unagenehm fühlt wie die 3 Karamasow Söhne. Es gibt Szenen in denen man Dimitris Bewunderung für Gruschenka fühlt. Für mich persönlich gar nicht weil ich mich in die Charactere hineinversetzen kann, aber weil sie so authentisch in Ihrem Handeln, Auftreten und Widersprüchen sind, dass man es Ihnen abkauft.
Dostojewski schreibt über Menschen die eine Geschichte erleben und nicht eine Geschichte, die von Characteren vorrangetrieben wird.