Warum ich ein Spiel welches keinen Spaß bringt für eines der Besten halte
Zu behaupten etwas sei das "beste" ist ja immer eine schwierige Aussage. Besonders bei diesem Spiel, welches so unterschiedlich aufgenommen wurde wie kaum ein zweites. Für die Menschen die es emotional mitgenommen hat, ist es ein Meisterwerk. Für andere ist es die Hölle. Für mich war es beides.
Vorneweg: Zu behaupten etwas sei das "beste" ist ja immer eine schwierige Aussage. Besonders bei diesem Spiel, welches so unterschiedlich aufgenommen wurde wie kaum ein zweites. Für die Menschen die es emotional mitgenommen hat, ist es ein Meisterwerk. Für andere ist es die Hölle. Für mich war es beides.
Disclaimer: Ich würde behaupten man kann folgendes lesen ohne über Part I und Part II gespoilert zu werden. Aber da das ja jeder unterschiedlich sieht, seid gewarnt.
Was unterscheidet ein Spiel von einem Film?
Videospiele gelten als Interaktives Medium. Oft wird angeführt, das die Möglichkeit Entscheidungen zu treffen das unterscheidende Merkmal zwischen Film und Videosspiel ist. Spiele wie Minecraft oder Star Citizen sind gute Beispiele für Spiele die diese Freiheit auf die Spitze treiben. Diese Spiele können Geschichten erzählen wie es ein lineares Medium wie Film nie könnte. Auf der anderen Seite stellen Spiele wie The Witcher 3 oder Papers Please den Spieler vor schwierige moralische Entscheidungen, die vielen Spieler im Gedächtinis bleiben. Viele behaupten (und ich beziehe mich dort zum Teil mit ein) dass genau diese Entscheidungsfreiheit zu einem besonderen Spielerlebnis führt. Wenn man einen Vater an der Grenze zu Arstotzka, dem Staat in dem man einen Grenzbeamten in Papers Please spielt, abweist der von seiner Familie getrennt wurde um selbst (als Grenzbeamter) zu überleben, dann ist das ein denkwürdiger Moment.
Aber liegt dies wirklich daran dass man eine "Wahl" hatte?
Ich bin mir da mittlerweile nicht mehr sicher. Für die, die es noch nicht am Thumbnail erkannt haben, es geht hier um The Last of Us Part II. Ein Spiel, in dem man 0 Entscheidungsfreiheit hat. Wirklich, die Story ist 100% linear und selbst in Momenten wo der geübte Spieler denkt "hier MUSS ich eine Wahl haben" (Stichwort Boot) hat man keine. Doch nie war ich auch nur ansatzweise so emotinal mitgenommen von einem digitalen Medium wie hier. Und ich bin davon überzeugt, dass dies nur ein Spiel erreichen konnte, trotz seiner nicht vorhandenen Entscheidungsfreiheit.
Ich denke mittlerweile dass es nicht darauf ankommt selbst eine Entscheidung zu treffen, sondern vielmehr eine Entscheidung zu "erleben". In The Last of Us Part II erlebt man die Geschichte aus der Sicht von Ellie. Man erlebt Ihre Geschichte. Es geht nicht darum wie der Spieler zu bestimmten Dingen steht, sondern wie Ellie dazu steht. Das Einzigartige was Part II schafft, ist die unglaubliche Nähe zu Ellie. Wir haben sie schon einmal ein ganzes Spiel lang begleitet, haben sie ins Herz geschlossen. Im ersten Viertel des Spiels gibt es ein Event, das Ellie zutiefst beeinflusst. Ich garantiere jedem der diese Szene erlebt, Ihr werdet dasa gleiche fühlen wie Ellie. Mein Tipp: Nehmt euch danach etwas Zeit und überlegt was ihr fühlt und warum. Dies war für mich der Moment wo ich realsiert habe, dass ich ein außergewöhnliches Spiel vor mir habe.
Bringen Videospiele Spaß?
Erscheint ja eigentlich intuitiv. Und in 50% der Fälle ist dies auch so. in 49,9% bringen die Spiele keinen Spaß weil sie einfach schlecht sind. Und dann gibt es 0,1% der Spiele die das Konzept von "Spaß" und "Unterhaltung" anders denken. Ein anderes gutes Beispiel ist meiner Meinung nach This War of Mine.
Ich möchte die Aussage aber relativieren. Das Gameplay von Part II macht Spaß. Es ist zwar nicht so gut dass es sich durch sein Gameplay allein tragen könnte, aber ist zumindest kein Ärgernis wenn eine "Gameplay Sequenz" ansteht. Und auch die Geschichte hat Momente, die Spaß bringen. Sogar unglaublichen Spaß (Stichwort Weltraum).
Es gibt allerdings auch Momente, die absolut keinen Spaß bringen. Dabei sind mir besonders 2 Momente im Gedächtnis geblieben. Nur so viel: Nach einem Höhepunkt ungeführ in der Mitte des Spiels, ändert sich die Perspektive in der man das Spiel betrachtet. Besonders auf YT sind zu diesem Event viele Compilations zu finden, in der sehr viele Leute das Spiel (zumindest zeitweise) abbrechen, weil sie keine Lust auf das haben, was kommt.
Und dann gibt es diesen einen Kampf am Ende des Spiel. Ich habe nie einen Kampf gespielt, in dem ich mehr gelitten habe. Es hört sich plumb und aufgesetzt an, aber mir ist jeder Knopfdruck schwergefallen. Ich wollte weder gewinnen noch verlieren. Ich wollte diesen Kampf nicht.
Es gibt Menschen die sagen
"Ein Spiel muss Spaß bringen, warum sollte ich es sonst spielen?".
Dies war ein Hauptkritikpunkt von Part II. Es sei "zu düster". Man kann Naughty Dog zwar vorwerfen, dass sie genau diese Erwartungshaltung provoziert haben, allerdings halte ich das Argument "Spiele müssen grundsätzlich Spaß bringen" für überholt. Es gibt andere Dinge die ein Spiel auslösen kann, die nicht nur dem Spaß und dem Zeitvertreib dienen. Im Film ist dies schon längst Gang und Gebe, ich glaube die wenigsten werden behaupten "Schindlers Liste" wäre ein unterhaltsamer oder gar spaßiger Film. Ich denke es ist Zeit das auch für Spiele akzeptiert wird.
Kunst kann (und muss) nicht jeden gefallen
Es gab wohl selten ein Spiel welches so kontrovers aufgefasst wurde wie The Last of Us Part II. Kaum ein Spiel hatte zu Release eine so große Diskrepanz zwischen Kritikern & Spieler. Am Tiefpunkt hatte das Spiel einen User Score con 3.4 gegenüber einem Kritiker Wert von 9.5. Mittlerweile hat sich das Spiel bei einem User Score von 5.7 eingependelt.
Es gibt also anscheinend einen sehr großen Teil der Spieler denen das Spiel nicht gefällt. Wie kommt das? Ich will hier nicht auf die Anteile der Rezensenten eingehen die ein Problem mit den sexuellen Ausrichtungen der Charactere haben oder sich an den Leaks oder Neil Druckmans Reaktionen darauf gestört haben.
Allerdings kann man Naughty Dog ein schlechtes "Erwartungshaltungsmanagent" vorwerfen. Spieler die den ersten Teil gespielt haben und eine Fortsetzung in der gleichen Tonalität erwartet haben, könnten sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Ich würde allerdings sagen dass nur genau dadurch das Spiel seine volle Wirkung entfalten kann. Spieler die das Spiel gespielt haben, werden bei dem Stichwort "The Lodge" wissen was gemeint ist. Die wenigsten haben erwartet was dort passiert. Ich kann vollkommen nachvollziehen dass dies vielen Spieler nicht gefällt. Und mir gefiel es auch nicht. Persönlich. Aber als ich mir danach ein paar Minuten Zeit genommen habe, habe ich gemerkt wie sehr es mich doch bewegt hat.
Und das macht das Spiel für mich so einzigartig. In dem Maße hat dies noch kein Spiel geschafft. Und ich würde mir wünschen, dass das Spiel für jeden Spieler so funktioniert wie für mich.
Dennoch halte ich Aussagen wie "The Last of Us Part II ist ein schlechtes Spiel" oder ähnliches für schwierig und vor allem unfair. Ich bin der Überzeugung dass für die Spieler, die von der Geschichte nicht so mitgerissen wurden wie ich das Spiel einfach nicht "funktioniert" hat. Neil Druckman ist mit seinem Spiel das Risiko eingegangen, dass diese Form von Spiel für viele nicht die Emotionen auslöst, die das Spiel auslösen soll. Aber genau dort fängt meiner Meinung nach das an, was sich Kunst nennt.
Kunst regt zum Nachdenken an, Kunst bewegt. Und Kunst kann und vor allem muss nicht jedem gefallen. Und genau dieser Grungsatz kommt bei Part II zum tragen. Neil Druckman und Naughty Dog wussten dass dieses Spiel nicht jedem gefallen wird. Und einigen dafür umso besser. Und ich bin froh dass ich diese Erfahrung machen durfte.
Closing Thoughts
Wenn ein Spiel es schafft den Spieler an einen Punkt zu führen an dem er nicht mehr weiter spielen will (und zwar durch die Dinge, die man als SpielerIn erlebt und getan hat) dann ist es in meinen Augen etwas ganz besonderes. Für mich und viele andere hat dieses Spiel genau dies geschafft. Und für genau so viele andere nicht. Während es bei Filmen und Musik völlig normal und akzeptiert ist, dass bestimmte Stücke für andere ein No- Go sind, zeigt der Aufschrei um Part II dass Videospiele doch meistens versuchen die Massen zu erreichen und es auffällt, wenn dem nicht so ist. Ich hoffe nur, dass es in Zukunft wieder Spiele wie The Last of Us geben wird. Denn mit Part II hat sich das Medium Spiel in meinen Augen ein Stück Kunst verdient, das lange seines Gleichen suchen wird.
Zumindest für mich.
Teaser Bild: https://i.imgur.com/UjkxNgx.jpg (Achtung! Album enthält Spoiler)